Knell: Offener Brief an Staatsministerin Stolz
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Stolz,
mit Sorge um die Zukunft der Geburtshilfe am Standort Schwalmstadt wenden wir uns an Sie.
Eine Geburt bringt Mutter und Kind an die Grenze der körperlichen und emotionalen Belastbarkeit. Trotz moderner medizinischer Möglichkeiten, die viele Komplikationen bereits im Vorfeld erkennen lassen, bleibt eine Geburt unvorhersehbar und viele Notfälle treten sehr plötzlich auf. Ob schwere innere Blutungen, Infektionen oder Herzversagen – im Ernstfall zählt jede Minute. Lange Fahrtwege zur nächsten Geburtshilfe können in diesen Fällen für Mutter und Kind tödlich sein.
Als zwei Mütter, die ihre Kinder in Schwalmstadt zur Welt gebracht haben, und als Abgeordnete, die die Grundversorgung in unserer Region sicherstellen wollen, möchten wir unsere Sorge über die drohenden Folgen eines Wegfalls des Sicherstellungszuschlags für die Geburtshilfe im Jahr 2025 mit Ihnen teilen. Der Verlust des Sicherstellungszuschlags in Höhe von 500.000 Euro gefährdet nicht nur den Fortbestand der Geburtshilfe in Schwalmstadt, sondern vor allem die flächendeckende Versorgung werdender Mütter in unserer Region.
Der Wegfall der Geburtshilfe in Schwalmstadt hätte einen erheblichen Anstieg der Fahrzeiten für werdende Mütter zu anderen Kliniken zur Folge, was das Risiko für gesundheitliche Komplikationen drastisch erhöht. Konkret würde sich die Fahrtzeit zur nächsten Geburtshilfe im gesamten südlichen Schwalm-Eder-Kreis sowie im nördlichen Vogelsbergkreis deutlich erhöhen. Je nach Ortschaft teilweise von etwa zehn Minuten Fahrtzeit auf über 40 Minuten.
Derzeit erfüllt das Klinikum die sehr strengen Voraussetzungen für den Erhalt des Sicherstellungszuschlags nur knapp nicht und sieht sich gleichzeitig mit den bundesweit rückläufigen Geburtenzahlen sowie einem prognostizierten Defizit von über 1.000.000 Euro im Jahr 2025 konfrontiert. Ein zentrales Kriterium für den Erhalt des Sicherstellungszuschlags ist die Einwohnerdichte, die für das Klinikum aktuell bei 19,8 Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren pro Quadratkilometer liegt – und damit nur minimal unter der geforderten Grenze von 20 Frauen je km². Die Differenz von 0,2 Frauen je km² reicht jedoch aus, um hieraus einen vermeintlich geringen Versorgungsbedarf abzuleiten, obwohl die Geburtshilfe für unsere Region unverzichtbar ist.
Die anstehenden Haushaltsverhandlungen für 2025 bieten die Gelegenheit, dieser kritischen Entwicklung entgegenzuwirken. Wir bitten Sie, Frau Staatsministerin Stolz, daher eindringlich, sich dafür einzusetzen, dass das Land Hessen die Grundversorgung der Geburtshilfe in Schwalmstadt nachhaltig sichert. Konkret bitten wir um politische Unterstützung zur Bereitstellung einer auskömmlichen finanziellen Ausstattung für die Geburtshilfe, etwa in Form einer höheren Infrastrukturpauschale.
Der Erhalt der Geburtshilfe ist nicht nur eine medizinische Notwendigkeit, sondern auch ein Zeichen gelebter sozialer Verantwortung. Daher wenden wir uns heute gemeinsam und fraktionsübergreifend an Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Wiebke Knell MdL und Christin Ziegler MdL